Der Beckenboden galt lange Zeit als Tabuthema. Über Inkontinenz oder Schmerzen beim Sexualverkehr spricht man weniger leicht als über Schnupfen und Husten. In den letzten Jahren ist eine stärkere öffentliche Wahrnehmung des Beckenbodens und damit auch der Beckenbodentherapie merkbar.

Grund dafür dürfte wohl auch die Zunahme an Betroffenen sein. Immer mehr Menschen klagen über Beschwerden wie Rückenschmerzen, die mit Haltungsfehlern zusammenhängen. Verantwortlich für diese ist häufig ein schwacher Beckenboden.

In der Beckenbodentherapie lernen Patienten ihren Beckenboden besser wahrzunehmen, ihn gezielt zu entspannen und zu kräftigen. Inkontinenz-Beschwerden oder Schmerzen beim Sexualverkehr lassen sich dadurch lindern, Operationen häufig vermeiden. 

Der Beckenboden besteht aus mehreren übereinander liegenden Muskeln. Das gesamte Gewicht des Rumpfes und der inneren Organe im Becken- und Bauchraum lastet auf dem Beckenboden. Er bildet somit die Basis unserer aufrechten Haltung, die Bauch- und Rückenmuskulatur sichern diese zusätzlich ab.  

Neben dieser wichtigen Stützfunktion übernimmt der Beckenboden eine weitere essentielle Doppelaufgabe. Der Beckenboden hat nämlich sowohl eine öffnende als auch eine schliessende Funktion. Er muss einerseits halten können, aber auch loslassen können, wenn nötig. Dies verlangt eine gute Reaktionsbereitschaft der Muskulatur, die ständig an- und abspannen und danach wieder ein Gleichgewicht finden muss.  

Eine weitere wichtige Aufgabe des Beckenbodens ist zwar nicht essentiell, aber deshalb noch lange nicht weniger wichtig. Ein starker Beckenboden und eine gute Kontrolle über diesen hat nämlich auch positiven Einfluss auf die Sexualität und den Orgasmus.  

Ebenso wie ein schwacher Beckenboden zu Haltungsfehlern führen kann, schwächen auch Haltungsfehler auf längere Sicht den Beckenboden. Eine aufrechte Haltung und ein ergonomisches Bewegungsverhalten sorgen hingegen für einen starken und gesunden Beckenboden. Wer aufgrund von Schmerzen eine Schonhaltung einnehmen muss oder Übergewicht mit sich herumträgt, tut seinem Beckenboden auf Dauer nichts Gutes. Auch der überwiegend sitzende Lebensstil, den die meisten Menschen heutzutage pflegen, schadet dem Beckenboden.  

Auch Schwangerschaften und Geburten, Operationen, chronische Atemwegserkrankungen, Leistungssport oder Stress belasten den Beckenboden und können zu einer Beckenbodenschwäche führen.  

2.1. Symptome einer Beckenbodenschwäche

Zunächst macht sich eine Beckenbodenschwäche in Belastungssituationen des Beckenbodens bemerkbar. Im Alltag sind dies einfache, kleine Dinge wie beispielsweise Husten, Niesen, Lachen oder Springen. Aber auch Schmerzen im unteren Rücken können erste Anzeichen sein. Mit der Zeit wird der Leidensdruck der Betroffenen immer grösser. Einschränkungen im Alltag und in der Lebensqualität im Allgemeinen sind weitere Folgen einer Beckenbodenschwäche.  

Wird die Beckenbodenschwäche nicht behandelt, kann es zu Gebärmutter- oder Blasensenkungen kommen, welche meist operativ behoben werden. 

Symptome einer Beckenbodenschwäche sind 

  • Entleerungsstörungen 
  • Inkontinenzen (Belastungsinkontinenz, Dranginkontinenz, Stuhlinkontinenz) 
  • Schmerzen (im Genitalbereich sowie beim Sexualverkehr) 
  • Vaginismus (Verkrampfung des Beckenbodens)

Weitere Hinweise auf eine vorhandene Beckenbodenschwäche können sein 

  • Haltungsschwäche 
  • Kopfschmerzen 
  • Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule  
  • Schmerzen in den Beckengelenken  
  • Wiederkehrende Blasenentzündungen  

Bei fortgeschrittenen Beckenbodenschwächen, die zu Gebärmuttersenkungen oder Blasensenkungen führen, bleibt häufig nur mehr ein chirurgischer Eingriff als Therapie. Zunächst lassen sich jedoch bei einer Reihe an Beschwerden, die durch Beckenbodenschwäche entstehen, mit Physiotherapie und gezielter Beckenbodentherapie hervorragende Ergebnisse erreichen. Operationen lassen sich somit durchaus vermeiden.  

Eine Beckenbodentherapie eignet sich daher zur Behandlung von  

  • Beschwerden während oder nach der Schwangerschaft 
  • Beschwerden vor und nach Prostata-Eingriffen 
  • Schmerzen im Beckenbereich 
  • Senkungsbeschwerden 
  • Stuhl- oder Harninkontinenz 
  • Trink- und Miktionsstörungen (Blasenentleerungsstörung)  
  • Verstopfung oder Darmentleerungsstörungen 

Die Beckenbodentherapie dient einerseits als frühzeitige Aufklärung und Schulung in der Wahrnehmung des eigenen Beckenbodens. Dadurch leistet sie einen wertvollen Beitrag zur Kräftigung und Entlastung des Beckenbodens. Die Beckenbodentherapie macht die Betroffenen auf ihre Haltungs- und Bewegungsgewohnheiten aufmerksam und leistet somit effektive Präventionsarbeit 

Durch die Beckenbodentherapie soll insgesamt die Funktion des Beckenbodens verbessert werden. Dadurch nehmen Schmerzen ab oder verschwinden vollkommen.  

Zunächst nimmt der Therapeut eine genaue Beckenbodenuntersuchung vor. Aus dieser ergibt sich ein Beckenbodenbefund, nach dem sich die Behandlung ausrichtet. Mehrere therapeutische Konzepte können einzeln oder miteinander kombiniert angewendet werden. Diese sind 

  • Atemtechniken 
  • Entspannungsübungen 
  • Haltungsschulung und Haltungsstabilisation 
  • Kräftigungsübungen  
  • Wahrnehmungsschulung 

Zusätzlich können unterstützende Massnahmen wie die Biofeedback-Methode oder Elektrostimulation angewendet werden.